Wer älter als zwanzig Jahre und in Bremen aufgewachsen ist, wird sich sicherlich an ihn erinnern: Der Fußgängertunnel war mehr als vier Jahrzehnte eine unterirdische Abkürzung für Passanten, die zügig die Kreuzung am Brill queren wollten.
Im Oktober 1968 wurde die Passage, welche über eine Fläche von circa 2.500 Quadratmetern verfügt, eröffnet und bot nicht nur eine sichere Querungsmöglichkeit für alle Passantinnen und Passanten, sondern auch diverse Einkaufsmöglichkeiten und Serviceangebote. So konnte man viele Jahre lang vom Brill-Tunnel aus in die hier ansässige Filiale der Kaufhalle oder Sparkasse gelangen, eine Zeitung an einem der Kioske kaufen oder sich eine Bratwurst schmecken lassen.
Allmählich wandelte sich der Zeitgeist und damit auch der Brill-Tunnel zu einem nicht mehr ansehnlichen Ort: Galten Fußgängerunterführungen im Nachkriegsdeutschland, als man bemüht war, autogerechte Städte zu schaffen, als moderne Errungenschaften, wurden im Laufe der Zeit Aspekte wie Barrierefreiheit und schnellere Queren immer wichtiger. Der damalige Umbau der Brillkreuzung zwecks oberirdischen Querungsmöglichkeiten hat in der Folge zu einer geringen Passantenfrequenz im Brill-Tunnel geführt und dieser damit an Verkehrsbedeutung verloren. Auch als Geschäftsfläche ist der Tunnel nach und nach unwirtschaftlicher geworden. Der zunehmende Leerstand des Tunnels hat mit der Zeit zu einer Verwahrlosung und einem Sicherheitsrisiko (Drogenkonsum, Vandalismus, Personenübergriffe) geführt, insbesondere während der Abend- und Nachtstunden. Daraufhin wurde 2002 eine Teilschließung verfügt und in 2009 wurde der Tunnel vollständig geschlossen.
Für meine Kollegen und mich hat sich durch die Sperrung der Passage für die Öffentlichkeit nicht wirklich viel verändert: Da der Tunnel den oberirdischen Verkehrslasten weiterhin standhalten muss, reinigen und kontrollieren wir das Bauwerk regelmäßig. Dafür steigen wir jedes Mal durch eine kleine Bodenluke hinab. Vor muffiger Luft oder Ratten muss man sich hier unten übrigens nicht fürchten. Mindestens einmal pro Tag sorgt die Lüftungsanlage mit lautem Getöse für eine frische Brise. Und da der Abwasserkanal der Straße unterhalb des Tunnels und dann wieder nach oben geführt wird, um auch das Niederschlagswasser aus der Unterführung mitnehmen zu können, wird das Abwasser aus dem Brill-Tunnel nach oben gepumpt – gegen die Saugwirkung der Pumpen kommt keine Ratte an.
Die fehlenden Platten in der Decke sind übrigens nicht Teil des Verwahrlosungsprozesses, sondern sind von uns bewusst entfernt worden, damit wir den Zustand des Bauwerks besser im Blick behalten können.
Dass ich durch meine Tätigkeit im ASV hin und wieder solch verborgene Orte aufsuchen muss beziehungsweise darf, ist ein schöner Teil meiner Arbeit: So sind die Kontrollen immer eine kleine Zeitreise durch die Bremer Geschichte.
Mehr Informationen bezüglich der regelmäßigen Wartung von Brückenbauwerken finden Sie hier.